Umgang mit herausforderndem Verhalten

Schlafzimmer

Herausforderndes Verhalten von Menschen mit Demenz

Ausgestattet mit dem Wissen über herausforderndes Verhalten von Menschen mit Demenz können pflegende Angehörige effektiv Vorsorgemaßnamen treffen und somit vielen Gefährdungen vorbeugen.

as herausfordernde Verhalten von Menschen mit Demenz wirkt sich bei den pflegenden Angehörigen oft in Form starker psychischer Belastung aus. Es erfordert ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen, Flexibilität und Kreativität, um auf diese Situationen angemessen reagieren zu können. Deshalb ist es notwendig, Ihnen dafür spezielle Informationen zum Umgang mit aufforderndem Verhalten zu geben (das frühere „herausfordernde Verhalten“ wird nach dem neuen Expertenstandard als „aufforderndes Verhalten“ bezeichnet).

Aufforderndes Verhalten von Menschen mit Demenz      

Ein Grund für den gestörten Tag-Nacht-Rhythmus sind die deutlich verlangsamten Gehirnströme der Betroffenen bei fortgeschrittener Demenz. Diese Verlangsamung führt dazu, dass die Betroffenen tagsüber vermehrt müde sind und öfter einschlafen - Folgen des hirnorganischen Abbaus des Gehirns. In diesem Zusammenhang kommt es durch das vermehrte Dösen und Schlafen des Menschen mit Demenz dazu, dass er nachts nicht durchschlafen kann, längere Wachzeiten hat und demzufolge tagsüber wieder vermehrt müde ist und einschläft.

Ferner wird der Schlaf-Wach-Rhythmus durch eine Gehirnregion gesteuert, die bei einsetzender Dunkelheit am Abend die Ausschüttung von Melatonin (Schlafhormon) anregt. Dies wirkt schlaffördernd und regelt darüber hinaus durch ein bestimmtes Hormon die Schlaftiefe. Dieser Regulationsmechanismus ist bei Menschen mit Demenz gestört. Wenn der Betroffene nachts sehr unruhig war, oft aufgestanden ist, sich vielleicht mehrmals wieder angezogen hat, ist er natürlich tagsüber müde. Angehörige haben dann oft ebenso eine gestörte Nachtruhe und sind froh, wenn der Mensch mit Demenz tagsüber mal schläft. Dies aber ist ein Teufelskreis, da der Betroffene dann zum Abend und zur Nacht hin wieder ausgeruht ist.

Das können Sie tun:

Handlungshilfe „Störungen des Tag-Nacht-Rhythmus/Nächtliche Unruhe“
  • Versuchen Sie herauszufinden, ob es einen bestimmten Grund für die nächtliche Unruhe gibt (Helligkeit, Geräusche etc.)
  • Versuchen Sie, Ihren erkrankten Angehörigen tagsüber wachzuhalten.
  • Evtl. Nachtlicht brennen lassen
  • Sorgen Sie bei der nächtlichen Unruhe für Sicherheit: Schließen Sie die Haustür(en) ab und richten dem Menschen mit Demenz evtl. einen Laufweg für die Nacht ein.
  • Nehmen Sie die Nachtpflege in Anspruch (wenn Ihr Angehöriger einen Pflegegrad hat, beteiligt sich die Pflegekasse an den Kosten – lassen Sie sich beraten).
    Einschlafhilfen/ -rituale
  • Manchmal können Milch oder pflanzlicher Schlaftee das Einschlafen fördern.
  • Beugen Sie vor, indem Sie üppige Mahlzeiten und koffeinhaltige Getränke am Abend vermeiden.
  • Etablieren Sie für Ihren Angehörigen feste Rituale rund um das Schlafengehen, die sich Abend für Abend zuverlässig wiederholen. Diese schaffen eine Wohlfühlatmosphäre, helfen beim Einschlafen und beruhigen den Menschen mit Demenz. Dazu gehört die Einhaltung einer möglichst gleichen Uhrzeit sowie ein fester Ablauf. Idealerweise orientieren sich die definierten Rituale an denen, die der Betroffene schon früher für sich festgelegt hat.
  • Weitere Rituale können zum Beispiel sein: 
    • Beten und bekreuzigen (Rosenkranzbeten)
    • bestimmte Atemübungen
    • leichte körperliche Bewegung (recken und strecken)
    • Musik oder Hörbuch zum Einschlafen (sollte nicht zu spannend oder aufregend sein und sich automatisch ausstellen)
    • Dinge ansprechen, die am Tag schön waren
    • gemeinsames Schlaflied singen (z. B. guten Abend, gute Nacht)
    • ein Schluck Wasser trinken
    • usw.

  • Fragen Sie den Arzt oder die Ärztin nach einem Medikament (manchmal helfen „normale“ Schlaftabletten).

Wichtig ist, dass auch Sie gut für sich sorgen. Sie können nicht immer nachts aufstehen. Auch Sie brauchen Ihren Schlaf!

Über Sexualität im Alter wird oft nur mit vorgehaltener Hand gesprochen. Sexualität in Verbindung mit Demenz ist ein noch größeres Tabuthema und für die meisten Leute mit Peinlichkeit und Scham verbunden. Doch ist es für viele (pflegende) Angehörige häufig ein schmerzhafter Verlust, die Sexualität nicht mehr ausleben zu können. Viele pflegende Ehepartner würden gerne auch weiterhin eine sexuelle Beziehung mit ihrem demenzkranken Partner führen. Jedoch entstehen leicht Schuldgefühle („Ist es in Ordnung, wenn ich ihm noch näher komme oder bin ich selbstsüchtig?“). In unserer Gesellschaft wird Sexualität häufig nur auf Geschlechtsverkehr reduziert, doch Sexualität hat viele Facetten. Dazu gehört auch der Wunsch nach Nähe und Zärtlichkeit, um so Liebe und Trost zu vermitteln. Dies gibt dem Paar Halt und Geborgenheit in einer Lebensphase, die stetig von Verlusterfahrungen und Ängsten geprägt ist.

Bei einer frontotemporalen Demenz ist die sexuelle Enthemmung mit einer selbstüberfordernden Triebhaftigkeit Ausdruck des Krankheitsbildes. Dies führt dazu, dass der Mensch mit Demenz sich anders verhält, als Sie es gewohnt sind. Er kann seinen Sexualtrieb nichtmehr bewusst kontrollieren.

In einer solchen Situation ist es notwendig, moralische Grenzen zu überwinden, wenn es beiden Partnern in der Beziehung gut tut; aber auch Grenzen zu setzen, wenn der Sexualtrieb des Menschen mit Demenz oder des (pflegenden) Angehörigen als belastend empfunden wird. Sobald einer von beiden sich zu etwas überwinden muss, sollte man genau prüfen, wie weit man gehen möchte oder gehen kann. Um das Zusammenleben weiterhin so angenehm wie möglich zu gestalten, raten wir Ihnen, dieses Empfinden ernst zu nehmen und sich gegebenenfalls abzugrenzen. Es kann nötig sein, dass Ihr Angehöriger Möglichkeiten braucht, seinen Bedürfnissen nachzugehen.

Das können Sie tun:

Handlungshilfe „Sexualität“

Vermehrtes Bedürfnis nach Zärtlichkeit:

  • Geben Sie Nähe.
  • Körperkontakt herstellen: Nehmen Sie beispielsweise Ihren Angehörigen in den Arm oder streicheln Sie ihn. Sie können auch über Pflegehandlungen wie Waschen des Rückens, der Arme und Beine, Eincremen oder Massagen das Bedürfnis nach Zärtlichkeit stillen. Wenn Körperkontakt nicht üblich war oder ist, geben Sie mehr Zuneigung.

Selbstbefriedigung bei Menschen mit Demenz:

  • Lassen Sie Selbstbefriedigung zu, soweit sich der Mensch mit Demenz nicht selbst gefährdet.
  • Geben Sie ihrem Angehörigen Raum für Intimitäten; auch damit andere nicht belästigt werden.
  • Stellen Sie ihm/ihr in speziellen Fällen entsprechende Kalender, Zeitschriften, Filme, Drogerieartikel oder sonstige Hilfsmittel zur Verfügung.

Sexualität als pflegender Angehöriger zulassen:

  • Geben Sie nur Nähe, die Ihnen möglich ist; ziehen Sie ggf. aus dem gemeinsamen Schlafzimmer aus!

Sexuelle Hemmungslosigkeit von Menschen mit Demenz:

  • Schauen Sie nach Ursachen (evtl. sind Medikamente der Auslöser; suchen Sie einen Arzt auf).
  • Überlegen Sie, wie das Bedürfnis befriedigt werden kann (Sexualbegleiter, Pornohefte etc.).
  • Falls nötig, sagen Sie ein deutliches „Nein, das will ich nicht!“ (jedoch nicht abfällig).
  • Bei Selbstgefährdung des Menschen mit Demenz, suchen Sie einen Arzt auf (er/sie verschreibt ggf. ein Medikament).
  • Unter Umständen müssen Sie und weitere Angehörige geschützt werden!
  • Nehmen Sie im Zweifelsfall professionelle Hilfe in Anspruch! (Beratungsstellen)
Schlafzimmer

Pflegeperson

Diese Darstellung erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Diese Tabelle soll Ihnen einen Großteil der Ursachen, die zu Gefährdungen bei der häuslichen Pflege führen, aufzeigen und Maßnahmen angeben, wie Sie den Gefährdungen vorbeugen und sich davor schützen können.

Gefährdungen, die durch nicht sachgemäße Ausstattung der Pflegeperson entstehen können.

Ursachen

Gefährdungen

Maßnahmen

Zu weite Kleidung

Hängen bleiben

Folge:
Stürzen, Stolpern

Lockere, nicht zu weite Kleidung

Zu lange und zu weite Ärmel

Hängen bleiben

Übertragung von Krankheitserregern/Infektionsgefahr

Ärmellänge bis zum Handknöchel, Ärmelweite bis Faustgröße

Zu lange Hosen, Kleider und Röcke

Stolpern

Stürzen

Länge bis ca. Fußknöchel

Ungeeignetes Schuhwerk

Stolpern

Stürzen

Übertragung von Krankheitserregern/ Infektionsgefahr

Abwaschbare, gut sitzende (nicht zu enge und nicht zu weite), feste, rutschhemmende, vorn und hinten geschlossene Schuhe

Langes offenes Haar
(an den Haaren ziehen)

An den Haaren gezogen werden

Hängenbleiben

Übertragung von Krankheitserregern

Haare zusammenstecken oder zusammenbinden

Tragen von Schmuck

Hängen bleiben

sich Stechen

Übertragung von Krankheitserregern/
Infektionsgefahr

Schmuck ablegen

Zu lange Fingernägel

Übertragung von Krankheitserregern/
Infektionsgefahr

Einreißen der Fingernägel

Kurz geschnittene Fingernägel

Tätigkeit: Unterstützung bei der Körperreinigung

Ursachen

Gefährdungen

Maßnahmen

Unsachgemäße Arbeitshöhe beim Waschen

Zwangshaltung

Folge:
Langzeitschäden der Wirbelsäule

sich Verheben

Höhenverstellbare Einrichtungen (z.B. Bett, Badewanne usw.) und geeignete Arbeitshöhe wählen

Heben und Tragen

Zwangshaltung

Folge:
Langzeitschäden der Wirbelsäule

sich Verheben

Ergonomisches Arbeiten

Benutzen von Hilfsmitteln

Zu heißes Wasser

sich Verbrühen

Heißwassertemperatur auf 45 °C begrenzen oder überprüfen

Einhebel-Mischbatterien mit Temperaturbegrenzer und schwenkbarem Auslauf sind empfehlenswert

Hautreaktionen auf Pflege- und Reinigungsmittel

Hautreizungen

Verwendung von hautschonenden Pflege- und Reinigungsmitteln
(pH-neutral)

Verwendung von Stückseifen

Übertragung von Krankheitserregern/
Infektionsgefahr

Verwendung von Flüssigseifen aus Spendern

Tätigkeit: Unterstützung beim Aufrichten und Gehen (Mobilität)

Ursachen

Gefährdungen

Maßnahmen

Keine Kenntnis davon, wie der Pflegebedürftige beim Aufrichten, Aufstehen und Gehen richtig unterstützt wird

Stolpern

Stürzen

Zwangshaltung

Folge:
Langzeitschäden der Wirbelsäule

sich Verheben

Fachwissen erwerben, z. B. Pflegekurse besuchen

Der Pflegebedürftige wird beim Aufrichten und Aufstehen nicht mit eingebunden oder erhält nur unzureichend Informationen über die Pflegetätigkeit

sich Verheben

Zwangshaltung

Folge:
Langzeitschäden der Wirbelsäule

Aktivierende Pflege ausführen

Der Pflegedürftige wird über die Pflegetätigkeit informiert und in den Pflegeablauf einbezogen

Kein rückengerechtes (ergonomisches) Arbeiten

sich Verheben

Zwangshaltung

Folge:
Langzeitschäden der Wirbelsäule

Ergonomische Arbeitsweisen und Einsatz von Hebehilfen, Hilfsmitteln usw. können in Pflegekursen erlernt werden

Tätigkeit: Unterstützung bei der Zahn-/Zahnersatzpflege

Ursachen

Gefährdungen

Maßnahmen

Entnahme der Gebissprothese

Gebissen werden

Sachgemäßes Herausnehmen von Gebissprothesen

Keine Verwendung von Schutzhandschuhen

Übertragung von Krankheitserregern/
Infektionsgefahr

Tragen von Schutzhandschuhen

Tätigkeit: Unterstützung beim Rasieren

Ursachen

Gefährdungen

Maßnahmen

Benutzung von Rasiermessern

sich Schneiden

Elektrischen Rasierer verwenden

Reinigen von Rasierern

sich Schneiden

Stromschlag

Zum Reinigen vom Stromkreis trennen, Handschuhe tragen

Tätigkeit: Unterstützung beim Kämmen

Ursachen

Gefährdungen

Maßnahmen

Spitze verletzungsträchtige Kämme und Haarpflegeutensilien

sich Stechen

Verwendung von abgerundeten Kämmen und anderen Haarpflegeutensilien

Tätigkeit: Unterstützung bei der Darm- und Blasenentleerung

Ursachen

Gefährdungen

Maßnahmen

Unsachgemäße Entsorgung

Übertragung von Krankheitserregern/
Infektionsgefahr

Tragen von Schutzhandschuhen

 

Urinbeutel vor der Entsorgung in der Toilette entleeren

Umgang mit Fäkalien ohne Schutzhandschuhe

Übertragung von Krankheitserregern/
Infektionsgefahr

Tragen von Schutzhandschuhen

Tätigkeit: Unterstützung bei der Behandlungspflege

Ursachen

Gefährdungen

Maßnahmen

Verabreichen von Salben, Lotionen und Pasten ohne Schutzhandschuhe

Hautreizungen

Tragen von Schutzhandschuhen

Wiederaufsetzen der Schutzhülle auf die gebrauchte Kanüle

Unsachgemäße Entsorgung der gebrauchten Kanüle

sich Stechen

Übertragung von Krankheitserregern/
Infektionsgefahr

Schutzhülle nicht zurückstecken

Entsorgung als Einheit (Spritze und Kanüle) nur in durchstoßsichere, flüssigkeitsdichte und verschließbare Behälter

Keine Kenntnis von Verhaltensweisen und Sicherheitsmaßnahmen bei bestimmten Erkrankungen

Übertragung von Krankheitserregern/
Infektionsgefahr

Informationsbeschaffung, z. B. bei Hausärzten, in Pflegekursen, bei Selbsthilfegruppen etc.

 

Pflegekassen bezahlen Kurse und häusliche Schulungen.

Tätigkeit: Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme im Bett

Ursachen

Gefährdungen

Maßnahmen

Ungeeignete Betthöhe beim Essenreichen

sich Verheben

Zwangshaltung

Folge:
Langzeitschäden der Wirbelsäule

Betthöhe auswählen, sodass die Pflegeperson mit geradem Rücken dem Bedürftigen auf gleicher Höhe gegenübersitzt

Kopfteil nahezu senkrecht stellen

Unsachgemäßes Lagern

sich Verheben

Zwangshaltung

Folge:
Langzeitschäden der Wirbelsäule

Anwendung von Hebehilfen und kleinen Hilfsmitteln

Anwendung von Hebetechniken

Teilnahme an Pflegekursen

Tätigkeit: Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme am Tisch

Ursachen

Gefährdungen

Maßnahmen

Ungünstige Sitzposition beim Essenreichen

Zwangshaltung

Folge:
Langzeitschäden der Wirbelsäule

Rückengerechte, angenehme Sitzposition einnehmen

Dem Bedürftigen auf gleicher Höhe mit geradem Rücken gegenübersitzen

Falsche Haltung beim Essenreichen (z. B.im Stehen Essen reichen)

Zu heiße Kost

Ungeeignetes Essgeschirr und ungeeignete Trinkgefäße, z. B. zu flache Teller und normale Kaffeetassen

sich Verbrühen

sich Verbrennen

Fachwissen über richtige Hilfestellungen beim Essenreichen erwerben
Dem Pflegebedürftigen beim Essenreichen gerade gegenübersitzen

Überprüfen der Nahrung, ob diese zu heiß ist

Benutzung von behindertengerechtem Essgeschirr, z. B. Teller mit hohem Rand und Schnabeltasse bei Bedarf