Ausgestattet mit dem Wissen über herausforderndes Verhalten von Menschen mit Demenz können pflegende Angehörige effektiv Vorsorgemaßnamen treffen und somit vielen Gefährdungen vorbeugen.
as herausfordernde Verhalten von Menschen mit Demenz wirkt sich bei den pflegenden Angehörigen oft in Form starker psychischer Belastung aus. Es erfordert ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen, Flexibilität und Kreativität, um auf diese Situationen angemessen reagieren zu können. Deshalb ist es notwendig, Ihnen dafür spezielle Informationen zum Umgang mit aufforderndem Verhalten zu geben (das frühere „herausfordernde Verhalten“ wird nach dem neuen Expertenstandard als „aufforderndes Verhalten“ bezeichnet).
Ein Grund für den gestörten Tag-Nacht-Rhythmus sind die deutlich verlangsamten Gehirnströme der Betroffenen bei fortgeschrittener Demenz. Diese Verlangsamung führt dazu, dass die Betroffenen tagsüber vermehrt müde sind und öfter einschlafen - Folgen des hirnorganischen Abbaus des Gehirns. In diesem Zusammenhang kommt es durch das vermehrte Dösen und Schlafen des Menschen mit Demenz dazu, dass er nachts nicht durchschlafen kann, längere Wachzeiten hat und demzufolge tagsüber wieder vermehrt müde ist und einschläft.
Ferner wird der Schlaf-Wach-Rhythmus durch eine Gehirnregion gesteuert, die bei einsetzender Dunkelheit am Abend die Ausschüttung von Melatonin (Schlafhormon) anregt. Dies wirkt schlaffördernd und regelt darüber hinaus durch ein bestimmtes Hormon die Schlaftiefe. Dieser Regulationsmechanismus ist bei Menschen mit Demenz gestört. Wenn der Betroffene nachts sehr unruhig war, oft aufgestanden ist, sich vielleicht mehrmals wieder angezogen hat, ist er natürlich tagsüber müde. Angehörige haben dann oft ebenso eine gestörte Nachtruhe und sind froh, wenn der Mensch mit Demenz tagsüber mal schläft. Dies aber ist ein Teufelskreis, da der Betroffene dann zum Abend und zur Nacht hin wieder ausgeruht ist.
Das können Sie tun:
Wichtig ist, dass auch Sie gut für sich sorgen. Sie können nicht immer nachts aufstehen. Auch Sie brauchen Ihren Schlaf!
Über Sexualität im Alter wird oft nur mit vorgehaltener Hand gesprochen. Sexualität in Verbindung mit Demenz ist ein noch größeres Tabuthema und für die meisten Leute mit Peinlichkeit und Scham verbunden. Doch ist es für viele (pflegende) Angehörige häufig ein schmerzhafter Verlust, die Sexualität nicht mehr ausleben zu können. Viele pflegende Ehepartner würden gerne auch weiterhin eine sexuelle Beziehung mit ihrem demenzkranken Partner führen. Jedoch entstehen leicht Schuldgefühle („Ist es in Ordnung, wenn ich ihm noch näher komme oder bin ich selbstsüchtig?“). In unserer Gesellschaft wird Sexualität häufig nur auf Geschlechtsverkehr reduziert, doch Sexualität hat viele Facetten. Dazu gehört auch der Wunsch nach Nähe und Zärtlichkeit, um so Liebe und Trost zu vermitteln. Dies gibt dem Paar Halt und Geborgenheit in einer Lebensphase, die stetig von Verlusterfahrungen und Ängsten geprägt ist.
Bei einer frontotemporalen Demenz ist die sexuelle Enthemmung mit einer selbstüberfordernden Triebhaftigkeit Ausdruck des Krankheitsbildes. Dies führt dazu, dass der Mensch mit Demenz sich anders verhält, als Sie es gewohnt sind. Er kann seinen Sexualtrieb nichtmehr bewusst kontrollieren.
In einer solchen Situation ist es notwendig, moralische Grenzen zu überwinden, wenn es beiden Partnern in der Beziehung gut tut; aber auch Grenzen zu setzen, wenn der Sexualtrieb des Menschen mit Demenz oder des (pflegenden) Angehörigen als belastend empfunden wird. Sobald einer von beiden sich zu etwas überwinden muss, sollte man genau prüfen, wie weit man gehen möchte oder gehen kann. Um das Zusammenleben weiterhin so angenehm wie möglich zu gestalten, raten wir Ihnen, dieses Empfinden ernst zu nehmen und sich gegebenenfalls abzugrenzen. Es kann nötig sein, dass Ihr Angehöriger Möglichkeiten braucht, seinen Bedürfnissen nachzugehen.
Das können Sie tun:
Vermehrtes Bedürfnis nach Zärtlichkeit:
Selbstbefriedigung bei Menschen mit Demenz:
Sexualität als pflegender Angehöriger zulassen:
Sexuelle Hemmungslosigkeit von Menschen mit Demenz:
Diese Darstellung erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Diese Tabelle soll Ihnen einen Großteil der Ursachen, die zu Gefährdungen bei der häuslichen Pflege führen, aufzeigen und Maßnahmen angeben, wie Sie den Gefährdungen vorbeugen und sich davor schützen können.
Ursachen |
Gefährdungen |
Maßnahmen |
---|---|---|
Zu weite Kleidung |
Hängen bleiben Folge:
|
Lockere, nicht zu weite Kleidung |
Zu lange und zu weite Ärmel |
Hängen bleiben Übertragung von Krankheitserregern/Infektionsgefahr |
Ärmellänge bis zum Handknöchel, Ärmelweite bis Faustgröße |
Zu lange Hosen, Kleider und Röcke |
Stolpern Stürzen |
Länge bis ca. Fußknöchel |
Ungeeignetes Schuhwerk |
Stolpern Stürzen Übertragung von Krankheitserregern/ Infektionsgefahr |
Abwaschbare, gut sitzende (nicht zu enge und nicht zu weite), feste, rutschhemmende, vorn und hinten geschlossene Schuhe |
Langes offenes Haar
|
An den Haaren gezogen werden Hängenbleiben Übertragung von Krankheitserregern |
Haare zusammenstecken oder zusammenbinden |
Tragen von Schmuck |
Hängen bleiben sich Stechen Übertragung von Krankheitserregern/
|
Schmuck ablegen |
Zu lange Fingernägel |
Übertragung von Krankheitserregern/
Einreißen der Fingernägel |
Kurz geschnittene Fingernägel |
Ursachen |
Gefährdungen |
Maßnahmen |
---|---|---|
Unsachgemäße Arbeitshöhe beim Waschen |
Zwangshaltung Folge:
sich Verheben |
Höhenverstellbare Einrichtungen (z.B. Bett, Badewanne usw.) und geeignete Arbeitshöhe wählen |
Heben und Tragen |
Zwangshaltung Folge:
sich Verheben |
Ergonomisches Arbeiten Benutzen von Hilfsmitteln |
Zu heißes Wasser |
sich Verbrühen |
Heißwassertemperatur auf 45 °C begrenzen oder überprüfen Einhebel-Mischbatterien mit Temperaturbegrenzer und schwenkbarem Auslauf sind empfehlenswert |
Hautreaktionen auf Pflege- und Reinigungsmittel |
Hautreizungen |
Verwendung von hautschonenden Pflege- und Reinigungsmitteln
|
Verwendung von Stückseifen |
Übertragung von Krankheitserregern/
|
Verwendung von Flüssigseifen aus Spendern |
Ursachen |
Gefährdungen |
Maßnahmen |
---|---|---|
Keine Kenntnis davon, wie der Pflegebedürftige beim Aufrichten, Aufstehen und Gehen richtig unterstützt wird |
Stolpern Stürzen Zwangshaltung Folge:
sich Verheben |
Fachwissen erwerben, z. B. Pflegekurse besuchen |
Der Pflegebedürftige wird beim Aufrichten und Aufstehen nicht mit eingebunden oder erhält nur unzureichend Informationen über die Pflegetätigkeit |
sich Verheben Zwangshaltung Folge:
|
Aktivierende Pflege ausführen Der Pflegedürftige wird über die Pflegetätigkeit informiert und in den Pflegeablauf einbezogen |
Kein rückengerechtes (ergonomisches) Arbeiten |
sich Verheben Zwangshaltung Folge:
|
Ergonomische Arbeitsweisen und Einsatz von Hebehilfen, Hilfsmitteln usw. können in Pflegekursen erlernt werden |
Ursachen |
Gefährdungen |
Maßnahmen |
---|---|---|
Entnahme der Gebissprothese |
Gebissen werden |
Sachgemäßes Herausnehmen von Gebissprothesen |
Keine Verwendung von Schutzhandschuhen |
Übertragung von Krankheitserregern/
|
Tragen von Schutzhandschuhen |
Ursachen |
Gefährdungen |
Maßnahmen |
---|---|---|
Benutzung von Rasiermessern |
sich Schneiden |
Elektrischen Rasierer verwenden |
Reinigen von Rasierern |
sich Schneiden Stromschlag |
Zum Reinigen vom Stromkreis trennen, Handschuhe tragen |
Ursachen |
Gefährdungen |
Maßnahmen |
---|---|---|
Spitze verletzungsträchtige Kämme und Haarpflegeutensilien |
sich Stechen |
Verwendung von abgerundeten Kämmen und anderen Haarpflegeutensilien |
Ursachen |
Gefährdungen |
Maßnahmen |
---|---|---|
Unsachgemäße Entsorgung |
Übertragung von Krankheitserregern/
|
Tragen von Schutzhandschuhen
Urinbeutel vor der Entsorgung in der Toilette entleeren |
Umgang mit Fäkalien ohne Schutzhandschuhe |
Übertragung von Krankheitserregern/
|
Tragen von Schutzhandschuhen |
Ursachen |
Gefährdungen |
Maßnahmen |
---|---|---|
Verabreichen von Salben, Lotionen und Pasten ohne Schutzhandschuhe |
Hautreizungen |
Tragen von Schutzhandschuhen |
Wiederaufsetzen der Schutzhülle auf die gebrauchte Kanüle Unsachgemäße Entsorgung der gebrauchten Kanüle |
sich Stechen Übertragung von Krankheitserregern/
|
Schutzhülle nicht zurückstecken Entsorgung als Einheit (Spritze und Kanüle) nur in durchstoßsichere, flüssigkeitsdichte und verschließbare Behälter |
Keine Kenntnis von Verhaltensweisen und Sicherheitsmaßnahmen bei bestimmten Erkrankungen |
Übertragung von Krankheitserregern/
|
Informationsbeschaffung, z. B. bei Hausärzten, in Pflegekursen, bei Selbsthilfegruppen etc.
|
Pflegekassen bezahlen Kurse und häusliche Schulungen.
Ursachen |
Gefährdungen |
Maßnahmen |
---|---|---|
Ungeeignete Betthöhe beim Essenreichen |
sich Verheben Zwangshaltung Folge:
|
Betthöhe auswählen, sodass die Pflegeperson mit geradem Rücken dem Bedürftigen auf gleicher Höhe gegenübersitzt Kopfteil nahezu senkrecht stellen |
Unsachgemäßes Lagern |
sich Verheben Zwangshaltung Folge:
|
Anwendung von Hebehilfen und kleinen Hilfsmitteln Anwendung von Hebetechniken Teilnahme an Pflegekursen |
Ursachen |
Gefährdungen |
Maßnahmen |
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Ungünstige Sitzposition beim Essenreichen |
Zwangshaltung Folge:
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Rückengerechte, angenehme Sitzposition einnehmen Dem Bedürftigen auf gleicher Höhe mit geradem Rücken gegenübersitzen |
Falsche Haltung beim Essenreichen (z. B.im Stehen Essen reichen) Zu heiße Kost Ungeeignetes Essgeschirr und ungeeignete Trinkgefäße, z. B. zu flache Teller und normale Kaffeetassen |
sich Verbrühen sich Verbrennen |
Fachwissen über richtige Hilfestellungen beim Essenreichen erwerben
Überprüfen der Nahrung, ob diese zu heiß ist Benutzung von behindertengerechtem Essgeschirr, z. B. Teller mit hohem Rand und Schnabeltasse bei Bedarf |